Unter Autoren und Experten der Sportspielforschung ist man sich einig, Sportspiele (Fußball sowie die meisten anderen Sportspiele auch) sind in ihrem Wesen zu komplex, um sie als Anfänger in Gänze zu beherrschen und zu verstehen. Um eine nachhaltige Entwicklung der sportspezifischen Taktiken zu vermitteln, bedarf es der Reduzierung von vorhandenen Anforderungen. Die Reduzierung z.B. der technischen oder taktischen Anforderungen soll eine Überforderung und damit einhergehende Stagnation des Spiel- und Lernprozesses vermeiden.
Im Folgenden werden die drei grundlegenden Konzepte der Sportspielvermittlung behandelt.
Anders als die Sichtung der Sportspiel-Literatur vermuten lässt, ist eine fußballspezifische Vermittlungsmethode die am weitesten verbreitete Methode um die Leistungskomponente Taktik zu vermitteln. Dabei werden meist periodisiert, unabhängig des Alters- und Entwicklungsstandes der Spieler, einzelne taktische Elemente nach dem Grundsatz vom “Spezifischen zum Allgemeinen” isoliert trainiert und vermittelt. Dadurch ergeben sich schon bei den Kleinsten wider ihrem Lernverhalten klare Strukturen und Taktungen. Die Hoffnung dabei ist, dass der Spieler den Übertrag der einzelnen Elemente ins große Spiel findet.
Im Gegensatz dazu, bedeutet Lernen in der Kindheit vor allem eigenaktives Handeln, d.h. es ist ein aktiver Prozess und nichts, das dem Kind von außen “zugeführt” wird. Anders ausgedrückt:
„Lernen ist in diesem Alter höchstens zum geringen Teil eine Folge von Lehren. Motorische Kompetenzen ebenso wie Wissen und das gesamte Handlungsrepertoire sind ausschließlich in nur durch eigene Tätigkeit geschaffenen neuronalen Netzwerken repräsentiert.” Straetz (2011)
“Der Ansatz der integrativen Spielvermittlung ist dagegen nachweislich ein schnellerer und effektiverer Weg um Lernen im Sportspiel zu ermöglichen. Diese Vermittlung geht von dem Leitsatz “vom Allgemeinen zum Spezifischen” aus.” (Roth, 2007)
In der integrativen Spielvermittlung werden Spiele als Mitglieder einer Familie angesehen, die sich ähnlich sind.
Ihre Verwandtschaftsmerkmale werden gezielt herausgegriffen und übergreifend geschult. Angestrebt wird ein breites Fundament an generalisierbaren Kompetenzen, was später ein schnelles und effektives Lernen in allen Sportspielen garantieren soll. Die nachfolgende Tabelle zeigt beispielhaft die ähnlichen, sich zumeist überschneidenden Inhalte einzelner Sportspiele. Besonders der Bereich Taktik ist für diese Arbeit von Relevanz.
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Ähnlich intensiv wie die Diskussion des fußballübergreifenden bzw. des fußballspezifischen Trainings, wird die Diskussion der Spielreihe und Übungsreihe geführt. Die Übungsreihe, auch als Zergliederungsmethode zu bezeichnen, ist eine weit verbreitete Methode um technische, aber auch taktische Inhalte zu vermitteln. Dabei wird davon ausgegangen, dass grundlegende technische Grundfertigkeiten eines Sportspiels vorab erlernt werden müssen, um darauffolgend komplexere spieltypische Übungen und Taktik beinhaltende Formen anzuwenden. Dabei wird auf die methodischen Grundsätze “vom Leichten zum Schweren” bzw. vom “Einfachen zum Komplexen” zurückgegriffen. Am Ende dieser Zergliederungsmethode steht dann das eigentliche Zielspiel, Fußball im 7:7; 9:9; 11:11 mit gültigem Regelwerk. (Söll, 1997)
Folgende Punkte werden als Vorteil der Zergliederungsmethode angeführt ( Duerrwaechter, Schaller und Dietrich, 1976):
Ein gewisses Maß an Richtigkeit ist der Zergliederungsmethode mit Sicherheit nicht abzusprechen. Jedoch besteht die Gefahr eines Übens zum Selbstzweck. Das eigentliche Zielspiel wird dabei aus den Augen verloren. Dietrich et al., (1976) beschreiben die Nachteile folgendermaßen:
Um die oben aufgeführten negativen Einflüsse zu vermeiden, wurde in den 60er Jahren das Konzept der Spielreihe entwickelt. Von Anfang an ist die Ähnlichkeit zum eigentlich Spiel zu sehen und einkalkuliert. Es wird nach dem Grundsatz “Spielen lernt man durch Spielen” trainiert.
“Die grundlegendsten Aspekte des Fußballs, wie Tore erzielen können bzw. sie zu verhindern, werden beibehalten und unter vereinfachten Bedingungen dargestellt. Begonnen wird indem der Spieler alleine, dann mit einem Mitspieler und abschließend in der Gruppe/Mannschaft spielt. Darüber hinaus werden Steuerungselemente wie z.B. Überzahl-, Unterzahlsituationen genutzt.” (Ihlius, 2000)
Die hier angewandte Konfrontationsmethode soll vereinfachte, kindgemäße Minisportspiele vor allem Spielern im Anfängerbereich helfen. Als deutlicher Vorteil hat sich herausgestellt, dass unmittelbar Spielerfahrungen gesammelt werden und dadurch eine erhöhte Motivation zu beobachten ist.
Die wohl am häufigsten gestellte Frage auf den Fußballplätzen ist nicht umsonst “Trainer, wann spielen wir endlich?”
Dietrich et al., (1976) fassen die Vorteile des spielgemäßen Konzepts wie folgt zusammen:
Der Vollständigkeit halber muss aber auch hier aufgeführt werden, dass Anfänger durch die oftmals zu komplexen Spielsituationen überfordert werden können, wenn grundlegende technische und taktische Voraussetzungen nicht gegeben sind. Diese Erkenntnisse führte Kuhlmann (1998 S. 5) zu der Aussage,
“dass ein Kompromiss zwischen Spielen und Üben gefunden werden muss”.
Den Kompromiss bilden dabei systematisch aufbauende Spielreihen, die Hauptlinien der Spielvermittlung, die immer wieder durch gezielte Übungsreihen zum Üben technischer Fertigkeiten und taktischer Fähigkeiten ergänzt werden.
“Diese Methode zeichnet sich durch eine größere Nähe zur Konfrontationsmethode aus und nutzt kleine Spiele zur Hinführung zum Großen Sportspiel. Ergänzend greift sie aber zur Erarbeitung und Stabilisierung von technischen und taktischen Teilfertigkeiten auf unterstützende Übungsformen der Teilmethode zurück.” (Ihlius, 2000)
Als Drittes wird der Unterschied zwischen implizitem und explizitem Wissenserwerb dargestellt. Der Erwerb der Muttersprache und/ oder das Erlernen sozialer Verhaltensweisen, geschieht unbewusst während der Kindheit. Reber (1999) Man spricht vom impliziten Lernen. Neben dieser Begrifflichkeit wird in der Forschung meist noch deutlicher differenziert und von prozeduralem Lernen (Winkel, Petermann und Petermann 2006), unbewusstem Lernen und entdeckendem Lernen (Bakker, Whiting und Van der Burg 1990), intuitivem Lernen (Schönpflug 1994) oder spielerischem Üben (Dietrich 1985, Roth 1996) gesprochen. Der Einfachheit halber werden diese Unterscheidungen in dieser Arbeit außen vor gelassen und es wird generalisiert von implizitem Lernen gesprochen.
Implizite Prozesse sind im Sport meist unangeleitete, unbewusste Prozesse bei denen die Kinder nur wenige Vorgaben erhalten. Ein Beispiel wäre die Steuerungsmöglichkeit als Trainer, Spielfelder in bestimmte Formen abzuändern, um so erwünschte Verhaltensweisen zu erzielen. Fordert der Trainer ein diagonales Passspiel, wie in der Abbildung zu sehen, im ersten und letzten Drittel ein, um bessere Winkel zu erzeugen und so die Spielfortsetzung zu beschleunigen, wird er es in einem normalen Spielfeld schwer haben diese Spielweise zu vermitteln. Der Pass an der Außenlinie entlang, muss explizit verbal verbessert bzw. revidiert werden.
Dadurch kommt der Trainer in die Rolle des Kritikers. Wobei hingegen das Abschneiden der jeweiligen Spielfeldecken dazu führt, dass der Spieler ohne Zutun des Trainers einen solchen Ball nicht mehr spielen kann. Es findet jetzt ein Wechsel in der Rolle des Trainers statt. Weg vom Kritiker, der den Pass die Außenlinie entlang jedes Mal kommentieren muss, hin zum Helfer, der dem Spieler bei der Erarbeitung neuer Lösungsmöglichkeiten helfen kann. Das explizite oder deklarative Lernen erfolgt durch bewusste Aufnahme von Informationen, die im Gegenzug später auch bewusst und aktiv wieder abgerufen werden können. Der Trainer gibt Abläufe und Lösungsmöglichkeiten vor.
Beispielhaft müsste der Pass die Außenlinie entlang im Spiel durch verbales Kommunizieren und ständiges Erinnern der Spieler erfolgen. Darüber hinaus könnte man Spielsituationen immer wieder stoppen und so lange wiederholen, bis das gewünschte Verhalten eintritt.
Gesondert soll hier auf das Merkmal “Wissen” eingegangen werden. Kann explizites Lernen leicht verbalisiert werden, also was gerade gelernt wurde oder umgesetzt werden konnte, so stellt sich dieser Prozess beim impliziten Lernen als deutlich schwieriger dar. Das ist gleichzeitig eine der häufigsten Ursachen der anfänglichen Skepsis gegenüber den impliziten Lernmethoden. Außenstehenden oder gar den eigenen Spielern zu vermitteln, dass eine Spielform im 7:7 mit unterschiedlichen Feldformen und -größen eher zum erwünschten Ergebnis führt, als das isolierte Einstudieren von Abläufen ohne Gegner oder gar Zeitdruck, bedarf einer differenzierteren Erklärung. Jedoch muss auch hier festgehalten werden, dass es keine binäre Antwort auf das “ideale” Lernen gibt. Vielmehr sollten beide Methoden zum richtigen Zeitpunkt in ausreichendem Umfang eingesetzt werden. Adolph, Hönl und Wolf (1998, S. 11) bemerken abschließend:
„Es gilt, konzeptbezogen eine optimale Mischung zwischen den impliziten und expliziten Lernstrategien zu finden.“
Mehr dazu findest du hier.
Quellen: Straetz, R. (2011). Praxisleitfaden zur Persönlichkeitsentwicklung in der frühen Kindheit. Band 1: Bildung und Lernen Roth, K. & Hahn, C. (2007). Integrative Spielevermittlung. Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg. Söll, W. (1997). Sportunterricht – Sport unterrichten. Schorndorf: Hofmann. Duerrwaechter, Schaller & Dietrich (1976). Die großen Spiele. Meyer & Meyer Sport Kuhlmann, D. (1998). Wie führt man Spiele ein. Bielefelder Sportpädagogen (Hrsg.), Methoden im Sportunterricht. Schorndorf: Hofmann. Lehrhilfen für den Sportunterricht 57.11. 2008: S. 1 – 5. Winkel, S., Petermann, F., & Petermann, U. (2006). Lernpsychologie. Paderborn: Schöningh. Bakker, F. C., Whiting, H. T.f, & Van der Burg, H. (1990). Sport psychology: concepts and application. Lanchester: Butties. Adolph, H., Hönl, M. & Wolf, T. (1998). Integrative Sportspielvermittlung. Kassel. Universität-Gesamthochschule. Quelle: Sportpaedagogik