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Verbände und Vereine versuchen immer wieder durch Maßnahmen und Regelungen die Ausbildung von Jugendspielern sicherzustellen oder zu verbesssern. Nicht immer haben die gut gemeinten Vorschriften oder Regeländerung den gewünschten Erfolg. Wunsch und Wirklichkeit liegen oft deutlich voneinander entfernt. Folgende Beispiele zeigen, wie wichtig Controlling-Maßnahmen im Fußball sind.
Huddersfield Town sah sich gezwungen seine Akademie radikal umzustrukturieren. (Duit, 2018, goal.com) Eine grundlegende Analyse des Vereins ergab, dass die Durchlässigkeit von Jugendspielern aus der Akademie in den Profifußball zu gering war. In Nähe der Städte Liverpool und Manchester liegt Huddersfield in Reichweite von vier Top-Clubs. Die Konkurrenz ist somit groß. Die Gefahr eigens ausgebildete Talente an diese Clubs zu verlieren, stieg zudem mit Einführung des Elite Player Performance Plans, kurz: EPPP.
Ziel des Plans ist es, mehr und bessere in England ausgebildete Fußballer zu entwickeln. Mit Blick auf die derzeitige Lage lässt sich durchaus vermuten, dass der Verband damit an der Spitze (Nationalmannschaften und Top-Clubs) Erfolg hat. Teil der Reform waren aber auch festgeschriebene Ablösesummen, die Transfers im Jugendbereich für finanzstarke Vereine erheblich erleichterten.
Die Folge für kleinere Profivereine: Huddersfield Town sah die Wirtschaftlichkeit seiner Akademie nicht mehr gegeben und strukturiert das Nachwuchszentrum um. Der Club unterhält seitdem nur mehr eine U17, U19 und eine Reservemannschaft und ändert die Strategie. Statt Spieler selbst auszubilden, in der Gefahr seine Top-Talente zu verlieren, agiert man nun als „Auffangbecken“. Jugendspieler, die keine Chance mehr in den großen Nachwuchsleistungszentren bekommen, sind nun für Huddersfield interessant. Derartige Entwicklungen gab es beim FC Brentford aus London und den Tranmere Rovers aus der Nähe Liverpools. Für die Vereine eine sinnvolle Maßnahme.
Die Frage, die bleibt: Wo geht diese Entwicklung hin?
Auch im deutschen Profifußball werden Konzepte erarbeitet. Die fehlende beabsichtigte Auswirkung auf die Arbeit der Clubs ist hier das Problem.
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) ergriff mit der Local-Player-Regelung (aktuellen Version seit der Saison 2008/09) Maßnahmen, die die Förderung von Nachwuchsspielern gewährleisten soll. Minimum acht Spieler (4+4, sprich: vier Spieler vom eigenen Verein und vier Spieler von einem Verein innerhalb des DFB) müssen von einem deutschen Verein bzw. im Verband ausgebildet werden:
„Ein von Club-Seite ausgebildeter Spieler muss in drei Spielzeiten/Jahren im Alter zwischen 15 und 21 Jahren für den Verein oder die Kapitalgesellschaft spielberechtigt gewesen sein, ein vom Verband ausgebildeter Spieler in drei Spielzeiten/Jahren im Alter zwischen 15 und 21 Jahren für einen Verein oder eine Kapitalgesellschaft im Bereich des DFB.“ (DFL)
Vereine stehen somit vermeintlich „unter Druck, eine nachhaltige Ausbildung von Talenten in den eigenen Leistungszentren (LZ) einzuführen oder auszubauen“ (Werninger & Lames, 2012, S. 224). Ergebnisse der Untersuchung von Werninger & Lames (2012) zeigen jedoch, dass Spieler aus dem eigenen Leistungszentrum mitunter einen schweren Stand haben. Sie sind signifikant jünger, was einerseits auf kurze Beständigkeit im Verein schließen lässt. Des Weiteren werden gerne U19-Spieler von deutschen Bundesliga-Vereinen zur Erfüllung eben dieser Regel mit Linzenzspielerverträgen ausgestattet. Die signifikant kürzere Einsatzzeit dieser Spieler legt die Vermutung nahe, dass Spieler aus dem eigenen LZ nur aufgrund der Local- Player-Regelung Teil des Kaders sind.
Der kurioseste Fall stellt hier wohl Tommy Käßemodel dar (Eisele, 2017, Augsburger Allgemeine). Der Zeugwart von Erzgebirge Aue wurde 2016 kurzerhand mit einem Lizenzspielervertrag ausgestattet. Der Grund: Käßemodel hatte in der Jugend bei Aue gespielt. Ein vierter Local-Player fehlte noch im Kader. Als schlechtester Spieler im Spiel FIFA 18 erlangte Käßemodel mediale Aufmerksamkeit. Auch andere Profimannschaften greifen in die Trickkiste. U19-Spieler werden zur Quotenerfüllung mit Profi-Verträgen ausgestattet. Einsatzzeiten in der 1. Mannschaft? Fehlanzeige.
Das Problem von Quoten macht sich auch bei der Thematik Relative Age Effect deutlich. Die Gefahr besteht, dass Spieler nur zur Erfüllung ebendieser Quoten im Kader von Auswahlmannschaften oder Nachwuchsleistungszentren stehen. Das eigentliche Problem von Ergebnisdruck und fehlendem perspektivischem Denken wird nicht per se durch diese Quoten behoben.
Die Beispiele zeigen:
Maßnahmen erfüllen nicht immer den gewünschten Zweck. Stetige und umfassende Kontrollen müssen die Maßnahmen begleiten. Egal, ob der Verband oder Verein an der Spitze erfolgreich ist oder nicht. Lames & Werninger (2012, S. 223): „Ohne ein systematisches Controlling lässt man sich häufig von Einzelfällen blenden und verliert den Überblick über die Gesamtproblemlage.
QUELLEN
Duit, N. (22.01.2019). Revolution bei Huddersfield Town! Nur drei U-Teams und keine Europacup-Zulassung goal.com. Abgerufen von https://www.goal.com/de/meldungen/huddersfield-town-kurios-drei-u-teams-keine-europacup/k91lc5nn1pfj18y34yhyjmlpi
Eisele, F. (07.11.2017). Tommy Käßemodels unglaublicher Weg zum "Profi-Kicker". Augsburger Allgemeine. Abgerufen von https://www.augsburger-allgemeine.de/sport/Tommy-Kaessemodels-unglaublicher-Weg-zum-Profi-Kicker-id43184186.html
Werninger, Lisa; Lames, Martin (2012). Kader-Controlling in den Nachwuchs- Leistungszentren. In C. T. Jansen, C. Baumgart, M. W. Hoppe & J. Freiwald (Hrsg.), Beiträge und Analysen zum Fußballsport XVIII (S. 221-224). Hamburg: Czwalina.