Scouting schlägt Ausbildung

Scouting schlägt Ausbildung - Begleiterscheinung der Professionalisierung von Nachwuchsleistungszentren by Denkfabrik Nachwuchsfußball

Heute fällt uns die gut gemeinte Professionalisierung des gesamten Systems Nachwuchsfußball ein Stück weit auf die Füße. Man könnte sogar sagen, wir leiden aktuell unter der Durchprofessionalisierung des Systems. Diese von uns aufgestellte These stützt sich vor allem auf zwei Beobachtungen, die kausal mit der Durchprofessionalisierung des Systems zusammenhängen:

  1. Deutlich erhöhter Ergebnisdruck auf Teamebene
  2. Deutlich erhöhter Karrieredruck für Trainer

Ein Problem ist, dass diejenigen Leute, die für die Begleitung von Kindern und Jugendlichen verantwortlich sind, nach Erfolgen abgerechnet werden, die sich auf kurzfristige Ergebnisse beziehen. Es gibt in Leistungszentren bis heute keine Lohnmodelle, nach denen die Bezahlung der Coaches und Scouts geregelt ist. Solange der Unterschied in der Bezahlung zwischen einem U15-Trainer (A-Lizenz Inhaber und studierter Sportwissenschaftler) und einem U19-Trainer mit der gleichen Lizenzstufe (und mit zusätzlich 200 Pflichtspielen als Profi in dem Verein im Gepäck) monatlich mehrere tausend Euro netto beträgt, wird der U15-Trainer natürlich immer U19-Trainer werden wollen. Und wie kann der U15-Trainer diese Stufe der Karriereleiter erklimmen? Durch Ergebnisse mit seinem Team! Verschiedene Lohnmodelle, die langfristige und ausbildungsorientierte Faktoren zur Grundlage der Bezahlung machen, würden eine andere Dynamik im Nachwuchsfußball entstehen lassen, weil sich der Fokus der Trainer und Verantwortlichen ganz automatisch von der Dominanz von Ergebnissen wegbewegen würde. Auch wenn wir die Dominanz von Ergebnissen im Nachwuchsfußball als eine Reserve mit erheblichem Optimierungspotenzial betrachten, heißt das nicht, dass Ergebnisse keine Rolle mehr spielen sollen. Diese Diskussion über Ergebnisse wollen wir überhaupt nicht führen. Wettkampforientiert zu sein und gute Ergebnisse erzielen zu wollen, ist nicht falsch und wird auch nie falsch sein. Im Gegenteil, das muss weiterhin die Zielsetzung eines Fußballspiels bleiben. Allerdings dürfen dabei Ausbildungsaspekte nicht auf der Strecke bleiben. In den Lohnmodellen der Akademien sollten statt kurzfristiger Ergebnisse daher folgende Dinge berücksichtigt werden:

  • Wie groß ist die Durchlässigkeit in den einzelnen Jahrgangsstufen?
  • Wie groß ist die Beteiligung eines Trainers an einem Spieler, der es in den Kader des Lizenzspielerteams schafft?
  • Wie groß ist der Fortbildungsdrang des Trainers? Wie viele Qualifikationen packt er oben drauf?

Ein weiterer Umstand, der den Karriere- und Ergebnisdruck junger Trainer erhöht hat, ist die veränderte Wahrnehmung dieser Trainer im Geschäft Profifußball. Im Augenblick herrscht nämlich eine Atmosphäre, in der man jungen, ambitionierten Trainern immer häufiger zutraut, die Leitung einer Lizenzmannschaft zu übernehmen. Dieser soziale Aufstieg - fast vergleichbar mit dem sagenumwobenen American Dream - wurde durch die veränderte Trainerausbildung des DFB in der Vergangenheit erst ermöglicht. Einerseits können die einzelnen Lizenzstufen in rasanter Geschwindigkeit absolviert werden und andererseits ist es inzwischen auch Trainern, die keine aktive Karriere als Profifußballer vorweisen können möglich, den Lehrgang zum Fußballlehrer zu besuchen. Fluch und Segen zugleich. Denn dadurch kommt es auch über diesen Weg nicht selten vor, dass unerfahrene Leute plötzlich in Bereichen arbeiten, in die sie eigentlich noch nicht gehören, aber natürlich unbedingt hin wollen. Daraus ergibt sich im deutschen Trainertum ein Phänomen, das man wie folgt zusammenfassen könnte: Wir haben immer mehr Wollen und immer weniger Können! Auch hier lässt sich dann der Kreis zum Ergebnisdruck des betreuten Teams schließen, denn wie macht man als junger Trainer vor allem auf sich aufmerksam? Durch Ergebnisse mit seinem Team!

Die beiden oben beschriebenen Dynamiken zusammen haben sich in den vergangenen Jahren als problematisch erwiesen. Der Weg nach oben ist für jedermann realisierbar. Was zunächst einmal positiv klingt, hat leider auch seine Schattenseiten. Alle haben es eilig bzw. alle müssen es eilig haben, denn sonst funktioniert es in diesem System nicht. Es geht zu früh um zu viel! Daher ist es nur eine logische Konsequenz, dass Spieler, die den Erwartungen der Trainer und Vereine (noch) nicht entsprechen, relativ schnell gegen andere Spieler ausgetauscht werden, die für das Erreichen der persönlichen Ziele nützlicher sind. In der Regel sprechen wir dann wieder über Themen, die mit Reife und physischer Entwicklung in Verbindung stehen. Dieser Aspekt, dass wir es zu eilig haben, trägt also offensichtlich auch dazu bei, dass unser Blick auf die Dinge, die im Fußball wirklich entscheidend sind, zunehmend vernebelt ist. Aus diesen Beobachtungen lässt sich schlussfolgern, dass der Weg nach oben hauptsächlich auf dem Rücken der Ausbildung des einzelnen Spielers ausgetragen wird. Die Ausbildung rückt zunehmend in den Hintergrund, das Scouting dafür in den Vordergrund! Der Slogan Scouting schlägt Ausbildung beschreibt den aktuellen Zustand im deutschen Nachwuchsfußball daher sehr treffend.

Welcher Mechanismus hinter dieser Entwicklung steht, könnt ihr im Kapitel „Scouting schlägt Ausbildung“ nachlesen. (Titel des Buches: Denkfabrik Nachwuchsfußball – Wie können wir es besser machen? / Vorbestellen unter: https://schaumamoi-verlag.de/produkt/denkfabrik-nachwuchsfussball/

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