Die Wettkampfreform im Kinderfußball ist im vollen Gange.
Wie bewertet ihr die Aussagen Bodo Illgners, man solle Kinder „nicht erst mit 10 oder 11 ins Tor lassen“? Sind die geplanten Veränderungen im Kinderbereich hinderlich für die Entwicklung des Torhüters?
Die Reform beinhaltet im Moment:
Dabei handelt es sich nicht um eine „Zwangsjacke“, wie Dr. Hans-Dieter Drewitz (DFB-Vizepräsident Jugend) im kicker betont.
Das Thema schlägt hohe Wellen. Die Reaktionen in den sozialen Netzwerken zeigen, dass einige Trainer den Aussagen Illgners zustimmen.
Was ist da dran? Wird die Ausbildung von Torhütern erschwert, weil sie im Wettkampf erst ab der E-Jugend ins Tor gehen?
Die Expertiseforschung ist ein Bereich in der Sportwissenschaft, der sich mit dem Zustandekommen von Höchstleistung beschäftigt. Hier werden beispielsweise Karriereverlaufsanalysen angewendet. Retrospektive (rückblickende) Analysen der Karriere von Profisportlern sollen so Aufschluss darüber geben, unter welchen Bedingungen die Exzellenz in der Sportart erreicht wurde.
Der fünfmalige Welttorhüter Gianluigi Buffon wuchs in einer Sportlerfamilie auf. Sein fußballbegeisterter Vater war Gewichtheber, die Mutter Diskuswerferin. Seine beiden Schwestern spielten Volleyball. Zudem war sein Onkel Basketballnationalspieler. Gigi Buffon begann als Feldspieler und war dort talentiert. Bei der Weltmeisterschaft 1990, Buffon war damals 12 Jahre alt, war sein großes Idol Thomas N’Kolo – Torhüter von Kamerun. Danach wollte er es auf der Torhüterposition versuchen. Das Problem? Sein damaliger Verein wollte dies nicht. Sie sahen Buffon als Feldspieler. Er wechselte den Verein und bekleidete ab dem Sommer 1990 erstmals im Wettkampf die Torhüterposition. Nach nur einem Jahr im Tor wechselte er zu Parma. Dort feierte er mit 17 Jahren im November 1995 sein Debüt in der Profimannschaft – nach nur fünf Jahren als Torwart. Heute ist Buffon selbst Vorbild zahlreicher Torwarttalente.
Einen interessanten Werdegang hat auch der Belgier Coen Casteels. Im Interview mit Tim Lüddecke (Quelle) berichtet er von seiner Zeit als Jugendspieler. Ab einem Alter von 9 Jahren spielte er je eine Halbzeit im Tor und eine Halbzeit als Feldspieler. Mit 11 ging es für ihn in die Jugendakademie von KRC Genk. Er wurde als Torhüter geholt, doch sie setzten ihn auch immer wieder als Feldspieler ein. Sogar in der U15 in der höchsten belgischen Jugendliga.
Beispiele wie diese zeigen, dass es durchaus verschiedene Wege geben kann zu Expertise auf der Torhüterposition zu gelangen. Auch ein Wechsel mit 12 Jahren auf die Torhüterposition, kann dazu führen, Weltklasse zu werden.
Wie sehen die Aktionen von Torhütern in einem Spiel aus? In der folgenden Abbildung wird dargestellt, wie viele Aktionen Torspieler in den einzelnen Aufgabenbereichen haben.
*ABBILDUNG NICHT MEHR VERFÜGBAR*
Abb. 1 zeigt die Ergebnisse einer Analyse von Torhüteraktionen aus Spielen der Fußballbundesliga 2007/2008 (Krebs, 2008) von insgesamt 9.139 Spielaktionen waren 38,7 % mitspielender Natur. 21 % aller Aktionen die Torhüter hatten, waren Spieleröffnungen. Diese Ergebnisse decken sich auch mit neueren Untersuchungen. Sie schmälern nicht die Wichtigkeit der abwehrenden Aktionen. Der Torhüter ist hier meist der letzte Spieler, der Tore verhindern kann. Das ist und bleibt seine Hauptaufgabe. Sie zeigt jedoch wie wichtig seine Fähigkeiten am Ball sind.
„Eigentlich erwartet man vom Torwart, dass er so gut ist wie ein Feldspieler. Also hat er eigentlich eine Feldspieler-Ausbildung genossen, und hat ’ne Torwartausbildung genossen, und dann soll er am Besten noch ein komplexer Torhüter sein. Torverteidigung, Raumverteidigung, Eins-gegen-Eins-Situationen, Flanken, Spieleröffnung, mitspielen, so die Schlagworte, die dann immer fallen: ein komplexer Torwart, der das alles kann.“ – Uwe Kamps
Steht nun die Idee der Reform der Torhüterausbildung in Deutschland im Weg? Klar ist, Torhüter müssen heutzutage hervorragende spielerische Fähigkeiten besitzen.
Dieser Grundstein kann im Kinderfußball bereits gelegt werden. Die Relevanz einer breiten Förderung wird hier nochmal deutlich. Diese Diversifikation bedeutet nicht nur, dass Spieler auf sämtlichen Positionen Erfahrungen sammeln. Es sollten auch gerade im Bereich bis zur E-Jugend sämtliche Bewegungsanforderung spielerisch geschult werden.
Bewegungsaufgaben, Turnaufgaben, Handball-Kopfball, Handball-Volley, Fangspiele.
Davon profitieren Torhüter wie Feldspieler. Wechsel vom Tor ins Feld oder umgekehrt werden so erleichtert. Diese Abwechslung sollte sich auch im Training dadurch äußern, dass sich dort Spielformen mit Abschluss auf das „normale“ Tor und Trainingsformen mit Minitoren wiederfinden. Ist diese Abwechslung und breite Förderung im Training gegeben, steht auch der Grundlagenförderung von Torhütern nichts im Weg. Auch wenn am Wochenende ein FUNino-Spielfest ansteht. Spieler verbringen in der Regel mehr Zeit im Training als im Wettkampf.
Zudem besteht wohl weiter die Möglichkeit von beispielsweise Spielen im 5-gegen-5 mit Torhütern. Seien es Freundschaftsspiele, Turniere oder Ligaspiele mit solchen Wettkämpfen zu ergänzen.
Der Schritt zu kleineren Mannschaftsgrößen ist der richtige – auch für Torhüter.
Die Zahl der Aktionen für die einzelnen Spieler ist statistisch größer (näheres findet ihr hier: https://advance.football/funino/).
Die Anzahl der Schüsse sind in solchen kleinen Zahlenverhältnissen bei gleicher Spielzeit höher. Somit erhöhen sich auch die Möglichkeiten für die Torhüter sich zu beweisen.
Das was Kinder lieben.
Und brauchen, um sich zu entwickeln.