KREATIVITÄT IM FUSSBALL TRAINIEREN

„Kinder werden heute trainiert, bevor sie selbst spielen können“
– Prof. Dr. Werner Schmidt (gesehen in „Fußball durch Fußball“ von M. Henseling und R. Maric)
Eine veränderte (Bewegungs)Umwelt der Kinder und Jugendlichen sorgt für eine immer geringer werdende Wahrscheinlichkeit, Bewegungstalente wie auch kreative Spitzenleistungen hervorbringen zu können. Sämtliche Voraussetzungen für das Erbringen solcher Leistungen bzw. für das Ausprägen der notwendigen Komponenten hierfür, haben im heutigen strukturierten Umfeld vieler Kids kaum noch Platz.

Morgens schnell Frühstücken, dann in der Schule still sitzen, ruhig sein, Aufgaben nach Plan erledigen und dann nach Hause. Zu Hause die Hausaufgaben, Essen und dann ab ins Training. Das Training in den Vereinen folgt dann leider häufig den eben gleichen Prinzipien, wie es der Schul- und Lebensalltag auch tut: strukturierte Prozesse. Doch dieses Verlangen eines „Dienst nach Vorschrift“ tötet jeden Freiraum der notwendig wäre, um kreative Leistungen zu ermöglichen.
Gassenaufstellungen, Passfolgen, Passfolgen mit Torabschluss, und sonstige sture Abläufe sind dann die traurige Realität. Um jedoch kreative Leistungen erbringen zu können, benötigt es Freiräume zum ausprobieren – am einfachsten in Spielformen die ohne viele Regeln und vor allem ohne ein Intervenieren durch den Trainer auskommen.
Spieler entwickeln Lösungen selbstständig, erhalten das Feedback durch den Erfolg bzw. Misserfolg ihrer Handlung und können im Anschluss diesen Handlungsprozess verwerfen oder beibehalten. Diese Gedankengänge geschehen jedoch in den seltensten Fällen durch bewusst-strukturierte Abläufe, sondern vielmehr durch unbewusste.

Bei Spielverlagerung findet sich hierzu ein sehr informativer Beitrag zu diesem Thema, inklusive dem Verweis an Lopes (2011):
„Das spielerische Lernen bezeichnet die Entwicklung des Spielverständnisses”:

  • Hier geht es um die Suche nach Lösungen für ein taktisches Problem basierend auf einem konstruktivistischen Ansatz.
  • Durch die eigene Suche nach der Lösung können also unterschiedliche Lösungswege gefunden werden, die von der üblichen Norm abweichen können. Dennoch ist das Ziel weiterhin gegeben und die erfolgreiche oder erfolglose Lösung des Problems ist für Spieler sowie Trainer klar erkennbar.
  • Das Spielverständnis wird hierbei geschult und anhand dieses Spielverständnis sowie der impliziten Regeln bestimmter Aspekte des Spiels entstehen kreative und intelligente Handlungen.
  • Das unangeleitete Spiel stellt im Sinne des impliziten Lernens die Möglichkeit dar ohne Struktur ein Gefühl für das Spiel und die Lösungsideen zu entwickeln:
  • Der geweitete Aufmerksamkeitsfokus soll langfristig zur Spielkreativität führen.
  • Durch das unangeleitete Spiel gibt es keine Vorgaben, wodurch die Spieler immer wieder neue Situationen unterschiedlichster Natur lösen sollen.
  • Die geringere Struktur kann zwar zu einer (verzögerten) Entwicklung der Spielintelligenz führen, das variiert jedoch nach Sportart und Aufbau des „unangeleiteten Spiels“. Im Fußball können z.B. bestimmte Regeln oder Spielformen das Spielverständnis implizit schulen.
  • Das vielseitige Spiel ist im Sinne des differenziellen Lernens zu sehen, wodurch das Prinzip der Verfremdung einer Situation neue Lösungsideen generiert werden:
  • Dazu werden variable, veränderte Spielformen des Spiels mit unterschiedlicher Betonung der jeweiligen Aspekte genutzt.
  • Indem eine Situation immer wieder neu verändert und angepasst wird, erfahren die Spieler, dass es unterschiedliche Lösungen für prinzipiell ähnliche Probleme gibt.
  • Dadurch erweitern sie ihre Lösungs- und Situationskenntnisse, wodurch sie zwischen diesen flexibel Assoziationen bilden können.

In einem weiteren Artikel zum Thema „Kreatives taktisches Entscheiden im Fußball“ von Mathias Liebing werden in einer ersten Evaluation von kreativen Prozessen im Hochleistungsfußball interessante Erkenntnisse vorgestellt:

  • je näher die Aktionen am Tor sind, desto kreativer werden sie eingeschätzt;
  • mehr als 80% aller Tore mindestens eine der letzten acht Aktionen vor dem Tor im hoch kreativen Bereich beinhalten;
  • ca. 40% aller Tore mindestens eine der letzten acht Aktionen vor dem Tor im höchst kreativen Bereich beinhalten;
  • die Teams, die in die K.o.-Runde eingezogen sind im Schnitt mehr Kreativitätsmerkmale beim vorletzten Pass aufweisen, als die in der Vorrunde gescheiterten Teams.“

Lasst uns also kreative und mit viel Spielwitz versehene Spieler ausbilden, an denen alle Beteiligten einen großen Spaß haben werden!

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